Wir machen einen Kurs in Oerlinghausen

Ein Bericht ...
... und ein kleiner Beitrag zur Psychologie der Flugausbildung.

 

Das Vorhaben

Zuerst waren wir nur zu zweit. Mein Vereinskamerad Reiner und ich, die zur weiteren fliegerischen Vervollkommnung einen Segelflugkurs machen wollten. Die Wahl fiel rasch auf Oerlinghausen, laut Eigenwerbung (vgl. segelflugschule-oerlinghausen.de) eine der schönsten Segelflugschulen der Welt, die auf dem Flugplatz mit den weltweit meisten Segelflugstarts ausbildet. In der Segelflugwelt ein Name mit Donnerhall. Schon bei meiner eigenen Ausbildung zum Motorseglerpiloten hatte ich die damals noch erhältlichen Fernlehrbriefe dieser Segelflugschule studiert. Mit einer Anmeldung in einer solchen Schule konnte man nichts falsch machen.

Nachdem es sich in unserem Fliegerclub Bad Berka herumgesprochen hatte, dass wir nach Oerlinghausen fahren wollten, meldeten nacheinander zwei weitere Vereinkameraden ihr Interesse an. Hartwig, der im Besitz der UL-Lizenz ist und derzeit bei mir eine MoSe-Ausbildung PPL-A (JAR-FCL) absolviert, und Wolfram, PPL-A (ICAO) incl. Klassenberechtigung TMG. Und Charley, die 14jährige Tochter von Reiner, gerade am Beginn der Segelflugausbildung in unserem Verein in Bad Berka, wollte schließlich auch noch mit. Nachdem wir so viele waren (das hatte man im Voraus nicht absehen können), erhob sich natürlich die ein oder andere missbilligende Stimme: "Warum macht ihr das denn nicht bei uns im Verein. Wir hätten doch ein einwöchiges Fliegerlager abhalten können." Aber wir wollten ja in kürzester Zeit ausgebildet werden und wir bezweifelten, ob unser Verein das wirklich hätte auf die Beine stellen können. Und außerdem waren wir ja bereits angemeldet. Und überhaupt: Wir wollten auch mal einen anderen Platz und andere Leute sehen und kennen lernen.

Am Sonntag, dem 28. Juni 2009, reisten wir dann gen Oerlinghausen. Reiner und seine Tochter waren mit mir mitgefahren. Charley teilte sich die Rückbank mit Jannis, meinem 12jährigen Labradormischling. Seine Annäherungsversuche wies sie allerdings leicht angewidert zurück. "Iiihh, der sabbert, kann ich mal das Buch hier als Grenze haben." Und Jannis hätte so gerne seinen Kopf auf Charleys Schoß gelegt. Gegen 17:00 Uhr trafen wir in Oerlinghausen ein. Die Anlage machte einen ansprechend ordentlichen Eindruck. Fünf neu wirkende Pavillons in einem sehr gepflegten Park am Rande des wahrlich riesigen Flugplatzes, einer fast quadratischen (weitgehend gut gemähten) Wiesen-Fläche mit leichter Steigung nach Nord-Osten, ca. 600 x 1200 m groß und von Wald umrandet. Am Nord-West-Rand die 600 m lange Asphalt-Piste, Tower, Hangars und ein riesiges Restaurant.

Die Ankunft Unterkunft

Zwar war von der Verwaltung keiner anwesend, das schadete aber gar nichts, weil wir ja mit unserer per Email zugesandten Rechnung eine Code-Nummer und die Nummer des Zimmers mitgeteilt bekommen hatten. Eine kleine Empfehlung an die Verwaltung: Stellen Sie besser diese Angaben in der Rechnung etwas deutlicher heraus. Reiner hatte gar nicht bemerkt, dass ihm mit der Rechnung eine Zimmernummer und ein Zugangscode mitgeteilt worden war (und daher seine Rechnung gar nicht mitgenommen). Das war aber kein Problem, denn er und Charley waren im selben Pavillon untergebracht wie ich und so konnten wir die Eingangshalle des Pavillons V betreten. Dort hingen bereits die Schlüssel an einem Schlüsselbrett und wir konnten unsere Zimmer belegen. Hartwig, mit 60 unser Ältester, war schon eingetroffen und hatte das komfortabelste Zimmer bekommen, doppelt so groß, wie meines. Er hatte sich ja auch als letzter angemeldet und es ist betriebswirtschaftlich logisch, dass erst einmal die kleineren Zimmer vergeben werden. Und außerdem ist Hartwig einen Kopf größer als ich. Und schließlich kann man auch gegen die kleinen Zimmer nichts einwenden. Der große Nassbereich mit geräumiger Dusche war wie auch das Zimmer selbst sehr sauber. Bequemes Bett, Fernseher, Telefon! Was bedarf es mehr? Ein bisschen eng vielleicht - aber auch nur, weil ich Jannis dabei hatte. Und ich war ja heilfroh, dass ich ihn hatte mitbringen dürfen. Er ist fast blind und muss viermal am Tag Augentropfen, zweimal am Tag Augensalbe und Antibiotika bekommen. Und insoweit wollte ich mich nicht auf eine Hundepension verlassen. Wer einen Hund hält, wird mich verstehen können. Das einzige eher kleine Manko an der Unterbringung war aus meiner Sicht, dass der elektrisch zu steuernde Öffnungsmechanismus der im Dach befindlichen Fenster nicht funktionierte, so dass sich ausgerechnet unser Pavillon von Tag zu Tag mehr aufheizte. Rechnungsausschnitt

Hartwig war bereits angekommen und wir gingen zu viert ins Flughafenrestaurant Abendessen. Irgendwann kam dann auch Wolfram und aus Solidarität fuhren wir zu Dritt noch mal nach Oerlinghausen in ein leidlich gutes Restaurant. Nach wochenlang schlechtem Wetter war es der erste sonnige Tag und es tat gut, draußen sitzen zu können. Das Bier schmeckte, die Bedienung war freundlich, die Wettervorhersage ließ Gutes ahnen, kurzum wir waren prächtig gelaunt. Wir sprachen über unseren Verein (im Vergleich zur Oerllinghausener Segelflugschule eine Klitsche), die Anschaffung von Flugzeugen und - wie fast immer, wenn Wessis (ich) und Ossis (Hartwig und Wolfram) zusammen sind - irgendwann auch über das Verhältnis zwischen diesen Gattungen. Keine Sorge, es bestand großes Einvernehmen. Es gibt dort wie hier solche und solche. Wir sind ja schließlich Fliegerkameraden…

Der 1. Tag

Am nächsten Morgen trafen wir uns pünktlich um 7:30 Uhr zum Frühstück im Küchen-Pavillon. Wir waren fast unter uns. Das Frühstücksbuffet entsprach einem 2- bis 3-Sterne-Restaurant und war absolut auskömmlich. Frische Brötchen und verschiedene Brotsorten, gekochte Eier, große Wurst- und Käseauswahl, Marmelade, Honig. Müsli und Cornflakes fehlten ebenso wenig wie Vitaminsäfte und Milch. 8:15 Uhr dann das morgendliche Briefing im Unterrichtsraum. Man war schon ein bisschen beeindruckt von dem Equipment. Auf einer großen - von hinten angestrahlten - Leinwand war bereits die erste Satelliten-Karte eingeblendet und zeigte die aktuelle Wetter-Situation. Dann kam der Flugbetriebsleiter, wir wollen ihn Cheffluglehrer nennen, stellte sich, seine Ko-Lehrerin Katja und den Windenfahrer Sergei knapp vor, allerdings nur mit den Namen. Ein wenig über die fliegerische Laufbahn der Lehrer hätte mich schon interessiert. Im Gegenzug wollte er aber auch von uns kaum etwas wissen.

Zunächst das Wetterbriefing für alle und die Einteilung der Schüler auf die Lehrer. Ich hätte gerne die sympathische Ko-Lehrerin bekommen. Aber dieses Glück hatte nur Charley (O-Ton Charley, die diesen Text gegengelesen hat: " Katja ist wirklich eine klasse Fluglehrerin. - das muss einmal gesagt werden!"). Hartwig durfte mit Helmut (dem Schul- und Ausbildungsleiter) trainieren und Wolfram, Reiner und mich selbst hatte sich der Cheffluglehrer selbst zugeteilt. Dann machte er speziell für uns Neue die Einweisung in den Platz und die Betriebsweise. Nichts Böses ahnend fanden wir es noch einigermaßen lustig, dass er während des Briefings mehrfach per Handy angerufen wurde (Seine Kommentare: "Wie ist man denn früher bloß ohne die Dinger ausgekommen." oder "Das geht aber heute auch wieder zu…". Beeindruckend fand ich, wie er die Telefonate vor uns allen führte. In meiner Schüchternheit hätte ich dem ersten Anrufer gleich gesagt: "Du, ich rufe Dich zurück, ich bin gerade im Briefing" hätte mich dann bei den Teilnehmern entschuldigt und mein Handy ausgestellt. Aber ich habe jetzt gelernt, dass man so weit nicht gehen muss und werde nächstens auch in theoretischen Unterrichten selbstbewusster auftreten. Schließlich wollen die anderen ja hören, was man zu sagen hat.

Nach dem Briefing noch ein kurzer Gang zur Verwaltung in der Eingangshalle des Zentralpavillons. Sehr modern und großzügig eingerichtet. Neben einem Empfangstresen steht eine große Vitrine, in der einige Utensilien für Piloten ausgestellt waren: Kopfbedeckungen und T-Shirts, jeweils auch mit Aufdruck Oerlinghausen zu haben, unterschiedliche Flugbücher, Nav-Dreiecke, Maskottchen usw. Auch ein gutes Dutzend Lehrbücher zum Thema Fliegen stand in der obersten Reihe. Natürlich war ich ein bisschen enttäuscht, dass mein Buch "Luftrecht und Flugfunk" nicht angeboten wurde. Aber bei der Vielzahl an Büchern, die für Privatpiloten auf dem Markt sind, hatte ich ernsthaft nichts anderes erwartet (aber stolz wäre ich schon gewesen …). Die Dame am Empfang prüfte unsere Tauglichkeitszeugnisse und verkaufte uns Ausbildungsnachweise. Die hätten wir zwar nicht gebraucht (so jedenfalls später die Ko-Trainerin, denn wir seien ja bereits Lizenzinhaber), aber es ist doch schön, die notwendigen Ausbildungsschritte abzuhaken und mit Unterschrift bezeugt zu bekommen. Außerdem hätte ich dann meinen abrundenden Schlussakkord nicht gehabt - aber dazu später.

Hangar Oerlinghausen

 

Am eindrucksvollen Hangar angekommen staunten wir nicht schlecht. Obwohl schon zwei, drei Flugzeuge ausgeräumt waren, stand da noch ein Flugzeugpark in der Halle, der uns hätte neidisch werden lassen können (wenn wir eingefleischte Segelflieger gewesen wären). Eine einzelne DG 1000 (das doppelsitzige Schlachtschiff mit Hilfsmotor), mehrere ASK 21, ASK 23 B und LS 4, schließlich ein UL-Segelflugzeug und ein Schleppflugzeug, eine etwas ulkig aussehende Piper Pawnee. Alle Flugzeuge wirkten sehr gepflegt (und waren es auch). Uns Frischlinge beeindruckte natürlich auch, wie kunstvoll platzsparend die Segelflieger eingeräumt waren. Aber das nutzte einigen von ihnen jetzt auch nichts mehr, sie mußten aus dem Stall. Wolfram, Reiner und ich teilten uns eine der beiden ASK 21, die dann aufs Feld geschleppt wurden. Dazu standen u. a. zwei kleine Elektrokarren zur Verfügung, die über Nacht an der Ladestation angeschlossen waren. Die beiden pfiffigen Jungs, Jan (14) und Henry (15), kannten sich schon aus und saßen am Steuer. Wir Frischlinge hielten die Fläche. Eine wunderschöne Prozession, die sich da - wie jeden Morgen - auf den Weg zum Startfeld machte.

Prozession

 

Der Aufbau des Startwagens und der Segelflugkontrolle ging schnell. Alle packten mit an. Wir versuchten uns nützlich zu machen, waren aber wohl noch nicht sehr hilfreich. Alles war neu für uns Motorflieger. Apropos anpacken: Man wandert als blutiger Anfänger in diesem Metier ständig auf einem recht schmalen Grat. Fasst man in der besten Absicht irgendwo zu, droht einem ein Anpfiff ("Laß jetzt mal das Seil liegen", "Stell den Leppo nicht so nah an die Flieger"). Bleibt man hingegen aus Sorge, etwas Falsches zu tun, untätig, fürchtet man sich vor dem Vorwurf mangelnder Hilfsbereitschaft. Und wenn man fragt, ob und was man tun könne, bekommt man nicht selten durch die Antwort zu spüren, was für ein blutiger Anfänger man doch ist. Aus den Vereinen ist mir das bekannt. Aber von Oerlinghausen hätte ich etwas anderes erwartet. Die Schule wird zwar streng genommen auch von einem Verein betrieben, aber die Lehrkräfte arbeiten ja nicht ehrenamtlich und die Flug- und sonstigen Gebühren sind ja nicht gerade vereinsgemäß preiswert, sondern entsprechen eher denen einer kommerziellen Schule. Ich vermute übrigens, dass auch hierin, also im Umgang miteinander, eine Ursache dafür zu finden ist, warum der Segelflug im Allgemeinen solche Nachwuchssorgen hat und nur die härtesten Schüler durchhalten. Die werden dann später allerdings genauso.

Und da wir gerade bei einem neuralgischen Thema sind: Schüler haben es so an sich, Fachfragen zu stellen. Das machen sie (mit zunehmender Tendenz), solange der Lehrer freundlich und ausführlich antwortet. Wenn sie aber herablassende, ironische oder sogar verhöhnende Antworten bekommen, stellen sie die nervige Fragerei früher oder später ein. Erwachsene sind da sogar noch etwas empfindlicher als Jugendliche, besonders wenn sie schon im Beruf oder sonst erfolgreich sind und mitten im Leben stehen. Es ist absolut verständlich, dass die vielen Fragen manchem Lehrer fürchterlich "auf den Senkel gehen", denn das Ungeheuerliche ist ja auch, dass viele Fragen immer wieder gestellt werden. Aber das bringt der Lehrberuf in allen Bereichen eben mit sich. Wer das nicht aushält, sollte nicht mehr unterrichten. Bei ehrenamtlichen Lehrern kann man das schon nicht hinnehmen, bei bezahlten Lehrkräften wie unserem Cheffluglehrer erst recht nicht. Ich habe meine Fragerei in Oerlinghausen übrigens sehr schnell eingestellt. Aber das lag sicherlich an mir und meiner niedrigen Tolleranzgrenze. Möge der Leser selbst urteilen.

Um 12:20 Uhr ist der Beginn meines ersten Windenstarts im Flugbuch verzeichnet (diese und die kommenden Zeitangaben sind lokal zu verstehen, weshalb in meinem Flugbuch tatsächlich 10:20 Uhr eingetragen ist). Ich kann nicht beschwören, ob diese Zeit genau stimmt, denn ich war viel zu sehr mit dem Start beschäftigt, um auf die Uhr zu schauen. Aber das muss man auch nicht. Die Segelflugkontrolle notiert die Start- und Landezeiten und der Pilot überträgt sie am Ende des Tages in sein Flugbuch. Ich vermute, dass ist in Segelflugvereinen üblich. Als Motorflieger ist man da weniger verwöhnt. Wolfram war seine ersten drei Platzrunden mit dem Cheffluglehrer bereits vor mir geflogen. Und nun war ich dran. Gott sei Dank hatte ich in meinem Heimat-Verein bereits zwei Windenstarts hinter mich gebracht und so war mein Pulsschlag vermutlich nur bei 150 und nicht bei 155. Sehr positiv zu vermerken ist, dass der Cheffluglehrer mich von Anfang an machen ließ. Ich hatte zu keinem Moment das Gefühl, dass er in die Ruder eingriff. Er saß hinter mir und erklärte, wie die Platzrunde zu fliegen sei. Das war am Boden vorbesprochen worden und so klappte das alles - meines Erachtens - sehr gut. Stolz war ich auch auf meine erste Landung. Ich hatte auch insoweit nicht den Eindruck, dass mein Lehrer eingreifen musste. Abgesehen davon, dass man etwas tiefer und in der Mitte sitzt, fliegen sich ASK 21 und - wie ich später noch feststellen konnte - ihr einsitziges Pendant, die ASK 23 B - sehr ähnlich, wie der Scheibe-Falke (mit dem ich schon fast 2.700 Mal gelandet bin, davon 1.500 Mal als Lehrer). Eben für die Ausbildung hervorragend geeignete Segler, die sehr großzügig im Verzeihen von Fehlern sind.

Auch die zweite Platzrunde nebst eigenhändiger Landung um 12.:40 Uhr empfand ich gelungen. Nicht ganz ohne Zweifel war ich allerdings, ob ich diesbezüglich nicht eine Mindermeinung vertrat, denn eine Bestätigung wurde mir nicht zuteil. Als ich bei einer späteren Landung scheu nachfragte, ob das jetzt einigermaßen in Ordnung gewesen sei, wurde mir klar, dass unser Cheffluglehrer nach der bewährten Pfälzer Maxime "Net getadelt isch gnug gelobt" ausbildete (obwohl er gar nicht aus der Pfalz kam). Jedenfalls war sein Antwort eindeutig: "Ich hätte schon was gesagt, wenn was nicht in Ordnung gewesen wäre." Wie man sich vorstellen kann, war ich danach besonders stolz. Aber lassen wir die Ironie. Vielleicht bin ich ungerecht und er wollte nur einen Fluglehrer-Kollegen nicht mit einem "Das war o.k.!" oder noch grausamer "Das war prima!" beleidigen. Diese Strategie hat er bei mir jedenfalls strikt durchgehalten. Reiner, der diesen Text natürlich gegengelesen hat, meinte, dass ihn das überhaupt nicht gestört hätte. Nun, richtig gestört hat es mich auch nicht, aber ein - wenn auch nur sparsam eingesetztes Lob - hätte mich vielleicht die weiteren Unfreundlichkeiten leichter hinnehmen lassen.

Elektrokarren

 

Das Rückholen mit den Elektrokarren klappte vorzüglich. Überhaupt hatte ich den Eindruck, dass die versammelte Schülermannschaft größtenteils äußerst hilfsbereit war. Franz, ein 66jähriger Anfänger, schien mir besonders fleißig. Kaum war man gelandet und ausgestiegen, kam schon ein Mitschüler mit einem Leppo angesaust und holte einen ab. Abschleppseil anhängen, Kuller anbringen und zurück zum Startpunkt. War man - wie ich (ein bisschen Angeberei darf sein) - einigermaßen in der Nähe des Lande-T's gelandet, hätte man nahezu alle 10 Minuten einen Start machen können. Hätte man. Das verhinderte allerdings jener kleine technische Apparat, von dem schon beim Briefing die Rede war. Der Cheffluglehrer musste telefonieren. Nach der Landung allenfalls eine liebevolle Bemerkungen (beispielsweise nach einer Seilrissübung in 60 m: "Du hast sie zwar heile runtergebracht, aber Du fliegst wie ein Kamikaze-Flieger.") oder auch mal eine Standpauke (dazu später) und dann machte er sich in aller Regel telefonierend auf den Rückweg. So konnte man auf dem Rückweg seinen Gedanken nachhängen. Man hatte ja ohnehin nichts anderes zu tun, als die Fläche zu halten und ein bisschen zu lenken. Bei anderen Lehrern musste ich hin und wieder tatsächlich beobachten, dass die ihre Schüler auch auf dem Rückweg begleiteten und sich mit denen unterhielten. Vermutlich erläuterten sie das ein oder andere und repetierten den Flug. Kommentar von Charley: "Ja, das hast du richtig beobachtet und mir persönlich hat das auch jedes mal sehr viel gebracht, denn man konnte gemeinsam mit dem Fluglehrer den Flug auswerten und gegebenenfalls Fragen stellen. So war man beim nächsten Start auf bestimmte Situationen besser vorbereitet und konnte eigene Fehler korrigieren."

Es hat mich schon - und meine beiden Kameraden Reiner und Wolfram empfanden das ebenso - sehr gestört, dass der Cheffluglehrer permanent zu telefonieren schien. Sehr oft hatten wir jeweils "unsere" ASK 21 in Startposition gebracht, hatten den Fallschirm angelegt und hätten starten können (und natürlich wollen), aber unser Fluglehrer stand einige Dutzend Meter abseits und hielt die Hand ans Ohr. "Fasse Dich kurz" oder noch besser "Laß bitte endlich die Telefoniererei" hätte man ihm gerne zugerufen, aber das verhinderte eine Melange aus Höflichkeit und Kleinmut. Völlig deplaziert empfand ich es, als er einmal sogar in Startstellung, die Haube war schon verriegelt und das Seil zog gerade straff, ein Telefonat entgegennahm. Wolfram, dem es ebenso ergangen war (und der diesen Text ebenfalls gegengelesen hat), beschwerte sich bei mir ("Stell Dir mal vor ...").

Aber zurück zum Montagvormittag, 12:40 Uhr. Nach meiner zweiten Landung war erst mal Schluss oder besser gesagt Mittagspause - wie immer zwischen 13.00 und 14.00 Uhr. Alle zogen in die Kantine. Wer clever war, konnte mit den Elektrokarren fahren, um sie an die Ladestation zu hängen. Unsere Jugendlichen Jan und Henry waren clever, die anderen gingen zu Fuß. Mittagspause

Das Mittagessen war ordentlich und reichhaltig. Suppe oder Kaltschale, Salat, Hauptgericht, Nachspeise. Dazu wurde mit Zitrone versetztes Wasser gereicht.

Was das Zitronenwasser angeht, kann man die Schule ein weiteres Mal loben. Am Startwagen war nämlich eine Holzklappe angebracht, auf dem ein großer Container mit der erfrischenden Flüssigkeit stand. Ein Eimer mit Plastikbechern stand daneben und eine Becherhaltevorrichtung mit Nummern. So konnte sich jeder so viel nehmen wie er wollte, ein Umstand, den wir sehr zu schätzen lernten. Völlig zu Recht ermahnte uns der Cheffluglehrer bei fast allen Morgenbriefings, viel zu trinken ("3 Liter pro Tag") und uns gut mit Sonnenschutzcreme einzureiben. Gott sei Dank hatte Reiner auch Sonnenschutzcreme dabei (ich kam dann erst später dazu, in einen Supermarkt nach Oerlinghausen zu fahren). Tipp an die Verwaltung: Vielleicht könnte man auch Sonnenschutzcreme ins Verkaufssortiment aufnehmen. Wenn dann beim Briefing auf diese Möglichkeit hingewiesen wird, ist sicherlich eine kleine Umsatzsteigerung drin. Charley

Nach dem Essen war noch etwas Zeit, um sich im Zimmer kurz auszuruhen und/oder frischzumachen (oder in meinem Fall, den Hund zu versorgen) und dann ging's wieder zu Fuß zum Startwagen. Wer clever war, konnte auch den Elektrokarren holen … aber ich war ja nicht zum ausruhen hier.

Um 14:16 Uhr startete ich zu meiner dritten Platzrunde und konnte mich ganze 7 Minuten oben halten. Eine normale Platzrunde dauert 3 bis 4 Minuten. Ich hatte mich also 3 Minuten länger halten können. In der Zeit von 17:10 bis 17:44 Uhr absolvierte ich drei weitere Platzrunden, fand aber gar nichts mehr an Aufwind.

Nach 18:00 Uhr wurde wieder "zusammengepackt" und auch das ging schnell und reibungslos. Alle schrubbten die Flugzeuge sauber, sie wurden wieder - immer unter Anleitung eines Lehrers - sorgfältig eingeräumt, die Batterien ausgebaut und an die Ladestation angeschlossen, die Fahrzeuge passten erstaunlicherweise auch noch in die Halle und um 19:00 Uhr saßen wir beim ordentlichen und auskömmlichen Abendessen mit Wurst, Käse und Salaten. Stets war auch ein kleines warmes Gericht dabei, am ersten Abend zum Beispiel Toast Hawaii. Insgesamt gab es am Essen für die ganze Woche nichts auszusetzen, abgesehen vielleicht davon, dass die Suppen manchmal etwas zu sehr nach Fertigsuppen schmeckten (die Cremesuppen waren allerdings prima).

Dann versorgte ich meinen Hund und wir Bad Berkaer fanden uns noch einmal zu einem abendlichen Schwatz und einem Bier auf der Terrasse unserer Kantine ein. Vor allem beglückwünschten wir uns zu dem tollen Wetter, das wir hatten und das für die Woche so bleiben sollte. Lange saßen wir allerdings nicht mehr zusammen, denn der Tag im Freien, das ständige Aufstehen (um zu helfen) und Hinsetzen, die Hitze und die Anspannung beim Fliegen hatten uns hundemüde werden lassen.

Der 2. Tag

Der nächste Tag begann fliegerisch mit einer normalen Platzrunde und dann kamen die ersten Seilrissübungen. Die erste noch ziemlich harmlos in etwa 120 m Höhe. Leider war er in anderer Hinsicht gar nicht so harmlos. Als wir kurz vor dem Queranflug waren und mein Lehrer mich ermahnte, nicht zu weit zu fliegen, sagte ich den fatalen Satz: "Ich bin da ziemlich angstfrei." Das hätte ich besser nicht getan. Denn damit hatte ich offenkundig für den Rest des Lehrgangs endgültig verspielt. So etwas sagt man - und das meine ich ernst - ja auch nicht. Er meinte jedenfalls, das wirke ja sehr überheblich. Und hielt mir einen sehr eindringlichen und langen Vortrag. Schon in der Luft und auch noch am Boden. Das geht grundsätzlich in Ordnung und ich verstand ja auch, dass er meine Bemerkung so und nicht anders auffassen konnte. Er konnte nicht wissen, dass ich meinen Satz ganz anders gemeint hatte. Fliegen ist "saugefährlich". Das war immer meine Meinung. Und auch meinen Schülern versuche ich beizubringen, ihren Respekt vor dem Fliegen niemals zu verlieren. Aber Angst sollte man nicht haben. Und ich konnte meine Anfangsangst vor dem Fliegen im Rahmen meiner eigenen Ausbildung immer recht gut in den Griff bekommen, weil ich mich voll und ganz meinen Lehrern anvertraute. Nach dem Motto: Wenn ein Lehrer an Bord ist, kann kaum etwas passieren. Und wenn meine Lehrer mich etwas allein machen ließen, dann konnte ich sicher sein, dass ich das auch kann. Dieses Vertrauen habe ich mir bis heute bewahrt (und bin meinen Butzbacher Lehrern dankbar dafür) und versuche es meinen Schülern weiterzugeben. Wenn ich einen Schüler zum ersten Alleinflug schicke, dann sage ich etwa zu ihm: "Du brauchst keine Angst haben, wenn Du es nicht könntest, würde ich Dich nicht loslassen." Und das und nur das war der Hintergrund meines fatalen Satzes. Beim nächsten Start meinte ich recht kleinlaut, sein Vorwurf habe mich sehr getroffen, denn überheblich sei das letzte, was ich sein wollte. Und ich versuchte ihm zu erklären, dass ich das im obigen Sinne gemeint hatte. Aber das machte ihn auch nicht gewogener. Seine Antwort: "Ich habe ja auch nur gesagt, dass das überheblich gewirkt hat und nicht, dass du überheblich bist." Ich erinnerte mich an diverse Führungsseminare, in denen man lernt, Kritik besser auf diese Weise zu äußern: Man soll z. Bsp. nie sagen: "Du bist zu eingebildet.", sondern immer "Du wirkst zu eingebildet". Das macht es dem Kritisierten einfacher, die Kritik anzunehmen. Und überzeugt hatte ich ihn jedenfalls offenbar nicht. Wie gesagt, die Standpauke geht in Ordnung, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass er mich erst einmal fragt, wie ich diesen Satz gemeint habe. Kritisch betrachte ich aber, dass er meine Rechtfertigung nicht akzeptiert und etwas versöhnlicher reagiert hat. Es wirkte auf mich (die Wortwahl ist beabsichtigt), als hätte ich als Fluglehrer in einer Schublade mit der Aufschrift "überheblich" gelegen, und als sei die Lade schon vorher weit geöffnet gewesen. Jetzt schien sie mir geschlossen worden zu sein. Ich musste an den Satz von Einstein denken: "In welcher Zeit leben wir, in der es leichter ist, ein Atom zu spalten als ein Vorurteil."

Es folgten fünf weitere Seilrissübungen in verschiedener Höhe und die Simulation eines Windenausfalls in 100 m. Wir lernten verkürzte Platzrunde, Umkehrkurve und Landung mit Rückenwind und Geradeauslandung. Alle sechs Seilrissübungen brachten mir zusammen nur 5 Minuten Flugzeit aufs Konto. Bei einer Seilrissübung (in ca. 30 m) war lustigerweise sogar eine Flugzeit von 0 Minuten eingetragen (als ich bei der Abrechnung dann zur Kenntnis nehmen musste, dass bei jedem Flug zusätzlich zur Startgebühr von 10 Euro eine Mindestflugzeit von 5 Minuten, also 3,50 Euro, berechnet wurde, war ich allerdings nicht mehr amüsiert). Bei einer der Landungen kurvte ich nach meinem Dafürhalten etwas zu früh ein und landete deutlich hinter dem Lande-T. Dummerweise konnte ich meinen Mund nicht halten und sagte "Schade! Ich hätte noch weiter ausholen können!" Die Erwiderung meines Lehrers: "Du sollst hier keinen Schönheitspreis gewinnen, sondern sicher landen". Warum kann ich auch meinen Mund nicht halten. Wohlgemerkt, in der Sache hatte er vermutlich Recht. Aber hier machte wieder einmal der (vorwurfsvoll unfreundliche) Ton die Musik.

Flugplatz Oerlinghause Am Nachmittag wurde es dann aber richtig schön. Ein halbstündiger Thermikflug, während dem er mir beim Absteigen Trudeln, Stallübungen und Steilkurven zeigte. Echte Steilkurven, der Flügel zeigte fast senkrecht auf die Erde und die Zentrifugalkraft drückte das Blut aus dem Kopf.

Und nach dem Zusammenräumen der Flugzeuge bekam Jan den Hintern versohlt, weil er am Nachmittag zum allerersten Mal alleine geflogen war. Jeder Vereinsflieger kennt das. Neu war mir allerdings, dass vorher ein Kanne Wasser über den Hosenboden geschüttet wird. Neu war mir auch, dass jeder Anwesende zweimal mit Hinternklopfen drankam. Weil ihm die ganze Prozedur so gut gefiel, gab Jan uns anschließend auch noch einen Kasten Bier aus.

Der 3. Tag

Der dritte Tag (Mittwoch) begann für mich mit einer weiteren - unangekündigten - Seilrissübung in etwa 100 m. Ich entschied mich für eine verkürzte Platzrunde (was mir dann die Bezeichnung des Kamikaze-Fliegers einbrachte, siehe schon oben). Aber ich hatte Glück und durfte trotzdem anschließend alleine fliegen. Wolfram war übrigens an diesem Tag als erster gestartet. Ihn traf die Seilrissübung tatsächlich völlig unerwartet. Aber er hat es geschafft und machte auch gleich danach seinen ersten Alleinflug im Segelflugzeug. Meiner dauerte genau vier Minuten. Der zweite Alleinflug war mit 3 Minuten noch kürzer. Erst beim dritten schaffte ich wenigstens 9 Minuten. Überaus zufrieden war ich nicht mit mir, aber es war ja auch noch früh und außerdem sollte Reiner ja auch zu seinem Alleinflug kommen. Erst am Nachmittag gelang es mir dann, etwas länger (33 Minuten) oben zu bleiben. Ich war mit dem Tag versöhnt. Wir bekamen dann allerdings nach dem Einräumen keine Prügel (weil wir ja schon früher einmal freigeflogen waren). Aber Freibier durften wir auch ausgeben.

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Der 4. Tag

Der vierte Tag (Donnerstag) stand dann im Zeichen der einsitzigen ASK 23 B. Nach einer kurzen Einweisung drei Platzrunden vormittags und drei nachmittags. Bei der letzten gelang es mir dann endlich aufzusteigen. Genau 50 Minuten war ich in der Luft und erklomm 1.450 m/GND. Welch ein schönes Gefühl. Ich hätte noch viel länger fliegen können, bin aber abgestiegen, weil ich Reiner den Spaß auch gönnen wollte. Um 16:43 Uhr bin ich gelandet. Thermik war bis 20:00 Uhr angesagt. Als wir beim Einräumen mit unserem Cheffluglehrer an der ASK 23 standen, fragte ich ahnungslos, ob man morgen auch mal die LS 4 fliegen könne. Offenkundig war ich immer noch nicht klug geworden, dass man besser seinen Mund hält. Die Antwort war eindeutig: "Jetzt wird er größenwahnsinnig." war der einzige Kommentar, den er, meinen Fliegerkameraden zugewandt, abgab. Am nächsten Tag fragte ich Christoph, der mehrfach mit der LS 4 geflogen war, ob es mit diesem Segelflugzeug etwas Besonderes auf sich habe. Oh ja, meinte er, die sei erheblich anspruchsvoller und verzeihe Fehler nicht so leicht, wie die ASK. Warum hatte mir das nicht der Cheffluglehrer erklären können?

Nach einer kurzen Skatrunde fielen wir abends ich Bett und ich war eigentlich ganz zufrieden. Immerhin war ich heute insgesamt 75 Minuten in der Luft, der bisherige Spitzenwert.

Der 5. Tag

Wie trist dann aber der letzte Tag, der ursprünglich für Reiner, Charley und mich (und Jannis) der vorletzte sein sollte. Herrlichstes Segelflugwetter. Aber der Wind kam erstmals aus der anderen Richtung. Deshalb wurde in Startrichtung 04 aufgebaut. Irgendwer sagte uns, dass wir in diese Platzrunde erst eingewiesen werden müssen. Wolfram, der mittags bereits fahren wollte, machte mit dem Cheffluglehrer auch gleich drei Platzrunden. Aber Reiner und mich "vergaß" (?) er. Wir übten uns in Bescheidenheit und halfen beim Zurückholen und beim Starten. Natürlich hatte ich keine Lust zu betteln. Auch dachte ich an die schroffe Zurückweisung an einem der letzten Tage. Ich hatte mich erdreistet, dem Cheffluglehrer einen Vorschlag zu unterbreiten. Weil ich bereits drei Starts hintereinander gemacht hatte, fragte ich, ob nicht statt meines vierten Fluges Reiner noch einen Flug machen könnte. Ich solle mir mal nicht seinen Kopf zerbrechen, ob ich denn nicht mitgezählt hätte, Wolfram hätte vor mir auch vier Flüge gemacht (das stimmte, hatte ich aber gar nicht mitbekommen). Nee, nee, danach hält man dann lieber die Klappe.

Gegen 15.00 Uhr kam dann der Cheffluglehrer auf Reiner und mich zu und fragte, warum wir noch nicht in der Luft wären. Ich sagte mit bestmöglicher Beherrschung, es hätte geheißen, dass wir in die neue Platzrunde eingewiesen werden müssten. "Ach ja, stimmt, die seid ihr ja noch nicht geflogen." Wer aber gedacht hätte, dass die Einweisung jetzt schleunigst nachgeholt würde (und zumindest ich war zunächst so naiv), der sah sich getäuscht. Nichts passierte. Irgendwann raunte mir Reiner zu: "Das ist kein optimaler Tag, gell?" Ich erwiderte: "Ich bin stinksauer. Die sehn mich hier nicht wieder." Kurz danach kam dann Reiner zu mir und meinte: "Du, ich hab mit Charley gesprochen. Sie hat nichts dagegen heute schon abzureisen." Ich war sehr einverstanden. Wir verstanden übrigens beide nicht, warum man nicht mehr (Fluggebühren) aus uns rausgeholt hat (wir hätten sie mit Freude ausgegeben).

Eine Einweisung in die Platzrunde 04 sollte nicht mehr stattfinden. Kurz vor 16:00 Uhr drehte sich der Wind und wir mussten umbauen. Nachdem alles wieder hergerichtet war, überlegte ich, aufzugeben und auf mein Zimmer zu gehen, als es dann von der sympathischen Ko-Trainerin hieß: "Na, was lungert ihr hier herum, wollt ihr nicht in die Luft. Die Richtung 22 könnt ihr doch fliegen und eine ASK 23 steht doch auch rum." Ich wollte mich nicht selbst bestrafen und nahm den Vorschlag an (ein bisschen negativ berührt über das "Herumlungern" war ich allerdings schon, hatten wir doch eher sehnsüchtig aufs Fliegen gewartet). Reiner fragte nach, ob man mit ihm üben könne, Thermik anzufliegen. Da eine ASK 21 und auch gerade ein anderer Lehrer frei war, klappte das. Reiner war anschließend voll des Lobes für seinen Kurzzeit-Lehrer Christoph. Äußerst kompetent, sachlich und ruhig habe der ihm gezeigt und erklärt, wie man Thermik anfliegen kann. Er hatte die letzten drei Tage ausgebildet - leider andere Schüler - und ich hatte beobachten können, dass er sehr ruhig und freundlich war. Wir stimmten später überein, dass wir halt Pech gehabt hätten, nicht von Anfang an mit ihm zu fliegen.

Ich hingegen bestieg die ASK 23 B und suchte mir selbst einen Aufwind, was auch gleich gelang. Es ging bis auf 1.950 m/GND hoch und war phantastisch. Gut, dass ich nicht vorher aus Zorn auf mein Zimmer geflüchtet war. Ich fand einen Aufwind nach dem anderen und wäre sicher noch weitere zwei Stunden geflogen (schon um meinen Frust weiter abzubauen und weil ja niemand auf den Flieger wartete) als ich im Westen, nicht allzu weit vom Platz, einen Schauer entdeckte. Da Gewitter angekündigt worden waren, beeilte ich mich mit dem Abstieg, zu dem ich die Klappen nutzte (eine ärgerliche Energieverschwendung) und meine Gedanken gingen natürlich dahin, dass ich bei früherem Start auch länger hätte fliegen können.

Gewitter kommt Dann ging alles recht rasch. Die Segelflieger kamen alle schleunigst zum Platz zurück und wir beeilten uns mit dem Putzen und Einräumen. Da wir uns ja entschieden hatten, heute schon nach hause zu fahren, störte uns die Wetteränderung nicht mehr sonderlich.

Jetzt hieß es noch schnell die Formalitäten zu erledigen. Im Büro setzte mir die Ko-Fluglehrerin einen Stempel ins Flugbuch und bestätigte meine Flüge in Oerlinghausen. Beim Ausbildungsnachweis, er muss bekanntlich vom jeweils tätigen Fluglehrer gezeichnet werden, hatte ich bereits die Tagesdaten eingesetzt. Natürlich wollte ich den Cheffluglehrer vom Eintagen dieser Daten entlasten. Deswegen fordere ich meine Schüler auch immer auf, eigenständig die Tagesdaten einzutragen. Andernfalls hätte ich eine Bemerkung wie "Soll ich das auch noch machen?" erwartet. Aber ich hatte mich geirrt. Er empfand meine Datumseinträge offenbar als Bevormundung und reagierte wieder ungehalten: "Dann hättest Du ja auch gleich unterzeichnen können." Ich schwieg. Er sagte dann aber auch nichts mehr, unterschrieb und setzte ein paar Stempel hinzu. Der Abschied fiel mir leicht. Ihm vermutlich auch. Dann noch duschen und packen, Schlüssel wieder ans schwarze Brett hängen. Und das Auto beladen. Jetzt fing es an zu regnen. Tschüs, Oerlinghausen. War ganz schön gewesen, hätte noch viel schöner sein können.

Resümee:

Die Segelflugschule Oerlinghausen hat die besten Voraussetzungen für eine hervorragende und zügige (praktische) Segelflugausbildung. Unterkunft und Verpflegung sind untadelig. Dass während der gesamten (heißen) Woche die Lüftung im Deckenbereich unseres Pavillons nicht funktionierte, fällt kaum ins Gewicht. Die vorhandene Ausrüstung ist Spitze. Seilzugwagen Winde Nicht nur die Flugzeuge, auch bspw. der Seilzugwagen, der gleichzeitig sechs (!) Schleppseile anbrachte, haben nicht nur mich beeindruckt.

 

Wären wir einem der anderen Lehrer zugeteilt gewesen, der nicht permanent telefoniert und sich mehr und freundlicher um uns gekümmert hätte, hätte es eine rundum tolle Woche werden können.

Ziemlich bedauerlich fand ich persönlich, dass ich nach dem gleichen Schema ausgebildet wurde wie Wolfram, und Reiner, die beide früher meine MoSe-Schüler waren und deutlich geringere Flugerfahrung haben. Ich vermute, dass dieses Schema bei allen Lizenzinhabern eingesetzt wird. Obwohl ich ja den Eindruck hatte, dass meine ersten drei Landungen einwandfrei waren, eine gegenteilige Rückmeldung hatte ich jedenfalls nicht erhalten, musste ich - wie die anderen auch - sechs Platzrunden machen, bevor die erste Seilrissübung stattfand, und insgesamt 15 Starts mit Fluglehrer, bevor ich zum ersten Mal alleine fliegen konnte. Die zweiten drei Platzrunden wären nach meinem Eindruck nicht zwingend erforderlich gewesen. Eher hätte ich gerne eine weitere Seilrissübung gemacht. Ich hatte gehofft, meinen C-Schein im Rahmen der Minima des § 37 LuftPersV machen zu können, ja ich hatte sogar die Hoffnung gehegt, den Schein in Oerlinghausen fertig zu bekommen, immerhin muss ich ja eine praktische Flugausbildung von nur fünf Flugstunden nachweisen (incl. 20 Alleinstarts usw.). Deshalb hatte ich mich für Oerlinghausen entschieden. Zeit, Flugzeuge und Lehrpersonal hätten dort auch hinreichend zur Verfügung gestanden. Aber die maßgeschneiderte Ausbildung, die ich mir erhofft hatte, fand leider nicht statt. Anmerkung: Wie ich nachträglich von Reiner erfahren habe, hatte der uns mit der Erklärung angemeldet, dass wir in Oerlinghausen nur Praxis machen wollten. Das rechtfertigt die gleichförmige Ausbildung aber nur eingeschränkt. Denn die Ausbildung hätte gleichwohl an den - zu erfragenden - Wünschen der Teilnehmer ausgerichtet werden können. Es wäre ein perfekter Service gewesen, wenn es etwa nach dem dritten Tag geheißen hätte: "Wir denken, dass Du auch den 100-km-Flug mit Fluglehrer schaffen könntest. Willst Du es morgen oder übermorgen versuchen?" Zumal auch das mehr Fluggebühren in die Kasse der Schule gespült hätte. Dann hätte ich auch den unerfreulichen Ton unseres Cheffluglehrers hingenommen bzw. ignoriert (und es wäre sicher auch nicht zu diesem Artikel gekommen). In fünf Tagen mit Heldenwetter, einer Unzahl vorhandener (aber leider im Hangar belassener) Segelfflugzeugen und sonstigen hervorragenden Möglichkeiten, konnte ich lediglich 26 Starts machen und war insgesamt 4 Stunden und 16 Minuten in der Luft. Und das lag nicht daran, dass ich keine Thermik fand … Das hätten wir im Rahmen eines Fliegerlagers in unserem Verein in Bad Berka auch noch geschafft, ohne dass ich die Kosten für eine lange Autofahrt und Unterkunft hätte tragen müssen.

Apropos Kosten: Wenn ich für die Fahrt von rund 600 km (bei 30 ct pro km Vollkosten) 165 Euro berechne (180 Euro abzüglich Benzinbeteiligung Reiner in Höhe von 15 Euro) hat mich der gesamte Aufenthalt in Oerlinghausen rund 1.175 Euro gekostet (davon Fluggebühren knapp 500 Euro). Das macht bei insgesamt 26 Starts pro Start 45 Euro bzw. bei insgesamt 4 Stunden 16 Minuten Flugzeit pro Flugstunde 277 Euro. So gesehen war Oerlinghausen erheblich zu teuer. Jeder weitere Start, den wir liebend gerne gemacht hätten, jede weitere Minute, die wir liebend gerne geflogen wären, hätte den Pro-Stunden-Preis bzw. Pro-Start-Preis gesenkt. Auch deswegen ärgert mich die "mangelhafte Betreuung" insbesondere am letzten Tag noch immer sehr.

Näheres siehe Gebühren in Oerlinghausen

Einen (alten) Hund würde ich übrigens auch eher nicht mehr mitbringen. Zwar konnte ich ihn überall hin mitnehmen (er war mehr oder weniger willkommen) und kaum einer hat mich (bzw. den Hund) mit schiefen Blicken gewürdigt. Selbst unser Cheffluglehrer war freundlich … zu dem Hund. Und mein Hund hat dieses fast permanente Zusammensein mit seinem Herrchen ersichtlich genossen. Aber es ist doch recht umständlich. Vor allem wenn man seinen Ehegatten nicht dabei hatte. Ein anderer - erfahrener - Segelflieger, der oben schon erwähnte Christoph, hatte seinen Hund auch dabei. Aber eben auch seine Ehefrau. Und die konnte sich um den Hund kümmern, während Christoph flog. Es hat sich zwar keiner über Jannis beschwert, aber man hat doch ein bisschen ein schlechtes Gewissen, wenn man den Hund am Startwagen im Schatten anbindet, dann in den Flieger steigt und er dann (oder wenn man zurückkommt) erst mal eine Runde winselt und bellt. Aber wie gesagt, keiner hat sich beschwert (Danke allen!). Und dann muss man sich ja auch um das Tier kümmern (Nahrung, insbesondere Wasser und Schale mit aufs Flugfeld nehmen, Medikamente verabreichen, zwischendurch immer mal wieder Gassi gehen usw. usw.). Und das alles, obwohl man mit sich selbst und dem Segelfliegen und dem zur Hand gehen genug zu tun hat ...

Jannis im Schatten Der 12jährige Labradormischling (stark sehbehindert) im Schatten des Startwagens
Jannis in der Kantine

Er war überall willkommen. Nur in die Küche der Kantine wollte man ihn trotz mehrfacher höflicher Nachfrage seinerseits nicht einlassen

Na, dann muß man es sich eben auf dem Kantinenboden gemütlich machen ...

Nachtrag

Zeitsprung! Ziemlich genau ein Jahr später. Mein Verein, der unübertreffliche Fliegerclub Bad Berka-Weimar e.V. hatte sich in den Kopf gesetzt, in diesem Jahr 2010 ein eigenes Fliegerlager durchzuführen. Pünktlich mit dem Beginn des Fliegerlagers am 24.6.2010 setzte nach wochenlanger Schlechtwetterperiode bestes Segelfliegerwetter ein. Eine Kleinigkeit war dann allerdings doch schief gegangen. Am ersten Tag war kein Segelfluglehrer da. Am 25.6.2010 aber ging es richtig zur Sache. Obwohl ich in der Zwischenzeit keinen Segelflugstart mehr gemacht hatte, absolvierte ich innerhalb einer Woche alle erforderlichen Leistungen und konnte am 1.7.2010 meine Prüfungsflüge durchführen. In dieser Woche war ich mehr als 11 Stunden in der Luft und hätte, wenn ich gewollt hätte, noch viel mehr fliegen können. Die Kosten? Alles zusammen vielleicht 200 Euro. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah ...

2. Nachtrag

Ich habe mir Zeit gelassen, bevor ich diesen Artikel auf meine Seite eingestellt habe. Zuerst einmal habe ich meine Mitstreiter probelesen und redigieren lassen. Sie haben mir bestätigt, daß meine Schilderungen in Ordnung sind.

W: "sehr detailgetreu, habe oft gelacht. Dem ist nichts hinzuzufügen, ein genaues Protokoll."
Danach habe ich den Text an die Leitung der Schule in Oerlinghausen geschickt, und zwar mit folgendem Anschreiben:
Sehr geehrter Herr ...,

der Anlage können Sie einen Beitrag entnehmen, den ich in meine homepage www.pilotundrecht.de einstellen und einer Fliegerzeitung zur Veröffentlichung anbieten werde. Da ich mich nicht in allen Punkten positiv äußere, möchte ich es nicht versäumen, Ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Sollte ich allerdings innerhalb der nächsten drei Wochen keine gegenteilige Nachricht von Ihnen in Händen halten, werde ich mir die Annahme gestatten, dass eine Stellungnahme nicht erwünscht ist

Mit freundlichen Grüßen
Abgesehen von einer Eingangsbestätigung habe ich - leider - nichts mehr von der Schule gehört.

Die angeschriebenen Fliegerzeitungen haben den Artikel als erheblich zu umfangreich abgelehnt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ende des Textes (kurs_oerlinghausen.html - 12.07.10)